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Durststrecke für die Natur: Wie der Lech unter Druck gerät

5.30.2025

Augsburg & Schwaben

Einst wilder Alpenfluss, heute regulierter Wasserlauf – der Lech steht exemplarisch für das Spannungsverhältnis zwischen Naturschutz und wirtschaftlicher Nutzung. Besonders deutlich wird das im Augsburger Stadtwald, einem beliebten Naherholungsgebiet für viele Augsburger*innen aber eben auch einem europaweit geschützten sogenannten Fauna-Flora-Habitat (FFH). Hier zeichnen ausgetrocknete Tümpel und versiegte Auen ein dramatisches Bild der ökologischen Realität.

FFH-Gebiete:  FFH-Gebiete (Fauna-Flora-Habitat-Gebiete) sind Schutzgebiete, die Teil des europäischen Natura-2000-Netzwerks sind. Sie dienen dem Erhalt gefährdeter Tier- und Pflanzenarten sowie ihrer natürlichen Lebensräume. Ziel ist es, die biologische Vielfalt dauerhaft zu sichern. In Deutschland werden FFH-Gebiete von den Bundesländern ausgewiesen und stehen häufig unter zusätzlichem Schutz, z. B. als Naturschutzgebiete.

Was war passiert?

Im Augsburger Stadtwald und entlang des Lechs verdichten sich seit Jahren die Anzeichen tiefgreifender ökologischer Störungen. Besonders betroffen sind die Lechauen, die zunehmend austrocknen und somit hochgradig spezialisierte Arten wie den Grasfrosch oder den Feuersalamander existenziell bedrohen. Doch nicht nur Amphibien sind betroffen: Auch für den Menschen wird der Flussumbau zur Gefahr. Intakte Auwälder speichern Wasser, filtern Schadstoffe und wirken wie natürliche Klimaanlagen. Verschwinden sie, verlieren wir nicht nur Lebensräume – sondern auch unsere natürlichen Verbündeten gegen Hitze, Dürre und Hochwasser.
Die Ursachen dafür sind komplex und kumulativ: Neben den Auswirkungen der Klimakrise, die auch in letzter Zeit wieder durch ein extremes Niedrigwasser und einen exponentiellen Anstieg der Extremwetterereignisse sichtbar werden, wirken auch wasserwirtschaftliche Steuerungen und technische Eingriffe im Gewässersystem als erhebliche Stressfaktoren.

Ein zentrales Beispiel für diese Stressoren ist auch die Stau- und Ablasspolitik am Forggensee, gesteuert durch das Energieunternehmen Uniper. Der See wird künstlich bewirtschaftet und traditionell im Winter abgelassen, was die Abflussdynamik des Lechs beeinflusst. Im Winter 2024/25 blieb dieser Ablass aufgrund technischer Arbeiten aus. Das Ergebnis: ein deutlich reduzierter Durchfluss in einer ökologisch besonders sensiblen Zeit, was eine zusätzliche Belastung für das ohnehin gestörte Grundwassersystem darstellt.

Gerade das Zusammenspiel aus menschlichen Eingriffen, den Auswirkungen der Klimakrise und baulichen Eingriffen mit den entsprechenden Konsequenzen – etwa der durch Kraftwerksbetrieb bedingten Eintiefung des Flussbetts und der Abkopplung von Seitenarmen –, schränkt die ursprünglichen dynamischen Prozesse am Lech stark ein. Diese sind jedoch essenziell für die Funktionalität des Lechs als Hotspot der Biodiversität.

Was muss in Zukunft geschehen?

Die FFH-Richtlinie gibt klar vor, dass sich der ökologische Zustand des Gewässers nicht verschlechtern darf. Daher braucht es jetzt eine deutliche Antwort auf die Frage, ob dieses Verschlechterungsverbot der FFH-Richtlinie noch Gewicht hat – oder es wirtschaftlichen Interessen geopfert wird. Das Prinzip des ökologischen Vorrangs muss endlich ernst genommen werden. Flusslandschaften sind nicht nur Kulissen für Freizeit und Stromproduktion, sondern lebendige Systeme, deren Schutz unsere Verantwortung ist.

Um den Lech fit für die Zukunft zu machen und den Schutz der Flora und Fauna wieder zu priorisieren braucht es entschlossenes Handeln und die Einführung neuer politischer Rahmenbedingungen:

  1. Rechtlich verbindlicher Mindestabfluss: Die Einführung eines gesetzlich festgelegten Mindestabflusses unterhalb des Forggensees, orientiert an ökologischen Bedarfskriterien wie Fischwanderung, Kiesumlagerung, Auwald-Erhalt und die Umsetzung nach dem Vorsorgeprinzip würde einen angemessenen rechtlichen Rahmen schaffen.
  2. Transparente Stauziel-Regelungen: Um eine mehr Transparenz zu schaffen wäre eine Veröffentlichung und jährliche Überprüfung der Stauziele und Abflussregelungen durch die Betreiber (z. B. Uniper) sinnvoll. Auch die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Umweltverbände an der Anpassung dieser Regelungen würde eine höhere Transparenz und gesellschaftliches Bewusstsein mit sich bringen.
  3. Renaturierung und Dynamisierung des Lechs durch „Licca Liber“: Den Lech wieder freizulassen, also im wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zurückzugeben, muss jetzt das Ziel sein; mit möglichst natürlichen Flussabschnitten durch die Öffnung von Seitenarmen, die Anbindung von Altarmen und die Revitalisierung der Auen. Dafür müssen auch die staatlichen Fördertöpfe ausreichend gefüllt sein!
  4. Monitoring & Klimaanpassung: Auch die Einrichtung eines unabhängigen Gewässermonitorings entlang des Lechs mit Fokus auf Artenvielfalt, Temperatur, Durchfluss und Wasserqualität kann helfen, Gefahren für die Natur in Zukunft frühzeitig zu erkennen und dementsprechend schneller und zielorientierter zu handeln. Die Wassermanagementpläne sollten unter Beteiligung der Kommunen, des Naturschutzes und der Landwirtschaft klimaangepasst ausgebaut werden. Halbherzige Maßnahmen helfen hier nicht mehr.

Fazit

Das, was sich derzeit im Augsburger Stadtwald abzeichnet, ist nur ein erster Vorgeschmack auf weitreichendere ökologische Veränderungen. Der Lech steht zunehmend unter Druck. Sollte die gegenwärtige Stau- und Nutzungsstrategie unverändert fortgeführt wird, droht ein schleichender Verlust – nicht nur an natürlicher Dynamik, sondern auch an Lebensräumen, Wasserqualität und ökologischer Stabilität.

Was es jetzt braucht, ist Mut. Ein Umdenken und eine Trendumkehr – eine neue Herangehensweise, die nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern vor allem die ökologischen Bedürfnisse des Lechs in den Mittelpunkt stellt. Das erfordert politischen Mut, ein Umdenken in der Wasserbewirtschaftung und ein klares Bekenntnis zur Natur als schützenswertem Gemeingut. Nur so kann der Lech wieder zu einem lebendigen Fluss werden – für Tiere, Pflanzen und Menschen gleichermaßen