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Status quo oder Aufbruch: Gedanken zum Koalitionsvertrag

4.16.2025

Wirtschaft

Ich erinnere mich noch gut an den Beginn der Ampelkoalition – damals stellte sich bei mir ein Gefühl des Aufbruchs in eine neue Zeit ein. Knapp dreieinhalb Jahre später liegt nach zähen Verhandlungen erneut ein Koalitionsvertrag vor, doch meine Stimmung ist eine ganz andere. Angesichts internationaler Krisen und Spannungen scheint für viele bereits der bloße Erhalt des Status quo ein Ziel zu sein. Das zeigt sich schon im Titel: Hieß es 2021 noch „Mehr Fortschritt wagen“, klingt „Verantwortung für Deutschland“ nun deutlich weniger zukunftsgerichtet und etwas behäbig.

Dieses Gefühl zieht sich durch den gesamten Koalitionsvertrag: Eine klare Vision für eine gute Zukunft für Deutschland fehlt. Besonders der Klimaschutz – eines der zentralen Zukunftsthemen – erhält auffallend wenig Gewicht, wie zahlreiche Umwelt-NGOs bereits kritisiert haben.

Wirtschaftspolitik im Koalitionsvertrag

Als Wirtschaftspolitikerin interessiert mich besonders, was im Koalitionsvertrag zu diesem Themenfeld steht, deshalb will ich hierauf näher eingehen.

Der Koalitionsvertrag verspricht gleich als ersten inhaltlichen Punkt „Mehr Wirtschaftswachstum“. Neben mehr Investitionen und mehr Innovation sollen es die Senkung von Steuern und Abgaben richten. Hier zeigt sich bereits eines der Kernprobleme: die Frage der Finanzierbarkeit. Steuersenkungen klingen populär, doch ohne präzise Zielsetzung schmälern sid langfristig die staatlichen Einnahmen – Einnahmen, die dringend für nachhaltige Investitionen gebraucht werden.

Positiv hervorzuheben ist, dass im Bereich Start-ups und Wachstumskapital wichtige Schritte geplant sind, etwa die Einführung von One-Stop-Shops. Nachdem die Ampel fast alle Ziele der Start-up-Strategie umsetzen konnte, erwarte ich, dass die kommende Regierung hier konsequent anknüpft. Auch die geplante Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ist, sofern gut umgesetzt, ein wichtiges und überfälliges Vorhaben.

Es finden sich vereinzelt solide Ansätze, doch gemessen daran, wie stark die Union die Wirtschaftspolitik ins Zentrum rückt, wirken viele Punkte wenig ambitioniert. Gleichzeitig sind auch problematische Aspekte enthalten: Unter dem Schlagwort „Technologieoffenheit“ wird der verschlafene Umstieg auf Elektromobilität in der Automobilbranche erneut schöngeredet. Und das pauschale Bekenntnis zu einem Handelsabkommen mit den USA lässt darauf schließen, dass die neue geopolitische Situation immer noch nicht erfasst wurde.

Insgesamt bleibe ich skeptisch, inwieweit die vorgestellten Maßnahmen ausreichen, um die Wirtschaft in dieser schwierigen Lage wirklich wieder in Schwung zu bringen.

Konstruktive Oppositionsarbeit

Als Grüne sind wir nun im Bund in der Opposition. Aus meiner Erfahrung als Landespolitikerin in Bayern weiß ich, wie frustrierend Oppositionsarbeit sein kann. Dennoch kommt uns jetzt eine zentrale Rolle zu: Wir müssen als Korrektiv wirken und die Regierung kritisch begleiten.

Gerade in den nächsten Jahren liegt es an uns, echte Zukunftsthemen wie den Klimaschutz immer wieder auf die Agenda zu bringen – und nicht zuzulassen, dass sie durch mittelmäßig-ambitionslose (Wirtschafts-)Politik unter den Tisch fallen. Denn unser Land braucht jetzt mehr denn je eine Regierung, die es gut und verantwortungsvoll durch die Krise bringt.