Navigation überspringen

Ein Tag im Zeichen des Fachkräftemangels

3.20.2023

Augsburg & Schwaben
Wirtschaft

Die städtische Fachakademie für Sozialpädagogik Augsburg, die Brauerei Riegele und das Berufsbildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer von Schwaben. Drei Orte, die für äußerst unterschiedliche Berufsbilder stehen, jedoch von einem Problem gleichermaßen betroffen sind – dem Fachkräftemangel. Gemeinsam mit Katharina Schulze erkundete Stephanie Schuhknecht am Mittwoch, den 15. März, vor welchen Herausforderungen sie dabei stehen und wie die Verantwortlichen dort jeweils versuchen, dennoch motivierte Fachkräfte zu gewinnen.

Gemeinsam mit Martina Wild, zweite Bürgermeisterin und Referentin für Bildung und Migration, und Stadträtin Melanie Hippke besuchten die beiden zunächst die Fachakademie für Sozialpädagogik der Stadt Augsburg, wo sie mit angehenden Erzieherinnen und Erziehern und der Schulleiterin Katharina Kröner ins Gespräch kamen. Nach einer Kinderpflegeausbildung oder direkt mit dem Abitur kann hier der Erzieherberuf erlernt werden. Dieser ist dem Meister im Handwerk gleichgestellt. Innerhalb von drei Jahren ist es sogar möglich, einen Bachelorgrad zu erwerben.

Neben besseren Arbeitsbedingungen, wie eine ausreichende Personalausstattung und eine angemessene Entlohnung, forderten die Azubis vor allem mehr gesellschaftliche Anerkennung für ihren vielfältigen und herausfordernden Beruf. Auch eine Ausbildungsvergütung vom ersten Tag an solle eingeführt werden, wie sie in anderen Ausbildungsberufen selbstverständlich sei. Schulleiterin Kröner brach zudem eine Lanze für die Opti-Prax-Ausbildung: In dieser sind die Lernenden von Beginn an z. B. an einer Kita angestellt und beziehen so ein festes Gehalt. Eine größere Anzahl solcher bezahlter Ausbildungsstellen würde das Berufsfeld für Bewerber*innen – auch solche mit Abitur – attraktiver machen. Zudem sei es dringend notwendig, ausländischen Auszubildenden den Weg in den Erzieherberuf zu erleichtern und älteren Schülerinnen und Schülern eine adäquate Finanzierung der Ausbildung zu ermöglichen, um diese unabhängig bestreiten zu können. Trotz dieser Herausforderungen waren die Auszubildenden hoch motiviert und freuten sich auf ihren zukünftigen Beruf, der oft auch Berufung ist. Die Politikerinnen waren sich einig, dass es nun endlich Zeit sei, eine solche Motivation auch angemessen zu entlohnen.

Weiter ging es mit einem Besuch bei der mittelständischen Familienbrauerei Riegele – dem Erfinder des echten Spezi. Hier erhielten die Politikerinnen von den Geschäftsführern Dr. Sebastian Priller und seinem Sohn Sebastian Priller eine Führung durch das historische Riegele Sudhaus und erfuhren viel Interessantes und Neues rund um das bayerische Kulturgut Bier. Die Brauerei ist stolz darauf, seit 637 in Augsburg Gewerbesteuer zu zahlen und bis heute ein von Großkonzernen unabhängiger Betrieb zu sein, der seine Rohstoffe von langjährigen Vertragspartnern aus der Region um Augsburg bezieht. Auch setze man auf einen respektvollen Umgang mit der Natur und erzeuge beispielsweise Strom aus einer eigenen Solaranlage und nutze das umweltfreundliche Mehrwegsystem in der Getränkeherstellung. Hier forderten die Inhaber die Einführung eines höheren Pfands, da es bisher oftmals noch billiger sei, Getränkekisten und -flaschen einfach zu schreddern, anstatt sie an die Hersteller zurückzuschicken, was vor allem kleinere und mittlere Unternehmen finanziell belasten würde. Bei einem gemeinsamen Mittagessen ging es anschließend um das wertvollste Gut eines Unternehmens: seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Riegele engagiert sich hier auf vielfältige Weise, immer mit dem Ziel, seinen Stammsitz in Augsburg zu erhalten, denn die Belegschaft sei das Rückgrat des Unternehmens, so die beiden Geschäftsführer. Das Unternehmen setzt beispielsweise auf Exoskelette in der Logistik, um die Arbeitsbelastung zu reduzieren und engagiert sich vielfältig vor Ort in Vereinen und in der Kinder- und Jugendarbeit. Man beschaffe bei Bedarf neuen Mitarbeitern auch mal eine Wohnung, so Sebastian Priller. Er berichtete jedoch, dass es trotz dieser guten Arbeitsbedingungen zunehmend schwieriger sei, neue Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Katharina Schulze, Stephanie Schuhknecht und die beiden Geschäftsführer waren sich einig, dass die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte essenziell sei, um diese Herausforderung meistern zu können und das Zuwanderungsrecht dahingehend vereinfacht werden sollte.

Auf ihrer letzten Station zur Handwerkskammer Schwaben wurden die beiden Landtagsabgeordneten von den beiden Augsburger Stadträten Matthias Lorentzen und Dr. Deniz Anan begleitet. Die Politiker*innen wurden begrüßt vom HWK-Präsidenten Hans-Peter Rauch, dem Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Ulrich Wagner, und der Hauptabteilungsleiterin des Berufsbildungs- und Technologiezentrums Augsburg, Ursula Feil. Am Standort der Handwerkskammer erwerben hier Auszubildende auf über 7000 qm Schlüsselqualifikationen für ihren zukünftigen Beruf. Das BTZ in Augsburg gehört zu den modernsten Ausbildungszentren des Handwerks in Bayern.

Eine Führung durch das Bildungszentrum zeigte, dass die Digitalisierung längst Standard ist im Handwerk. So lernen die Azubis nicht nur das Programmieren von Maschinen, sondern üben auch den Umgang mit Robotern, die aus dem Berufsalltag vieler Betriebe nicht mehr wegzudenken sind. Neben diesen Schlüsselqualifikationen erlernen sie in den verschiedenen Ausbildungsberufen aber auch grundlegende Fähigkeiten, wie z. B. sauber zu schweißen oder per Hand Farben anzumischen. Auch wenn viele dieser basalen Tätigkeiten heute längst von Maschinen übernommen werden, so erhalten die Lernenden dennoch ein vertieftes Verständnis ihrer Tätigkeit, um auch auf unerwartete Herausforderungen im späteren Berufsalltag reagieren zu können. Der Rundgang hat zudem gezeigt, dass das Handwerk längst keine Männerdomäne mehr darstellt und sich die männlichen Auszubildenden in puncto Engagement und Fleiß zuweilen von den angehenden Handwerkerinnen eine Scheibe abschneiden können.

Diese modernen Ausbildungsbedingungen sind für die Handwerkskammer der Schlüssel, um auch in Zukunft für junge Menschen attraktiv zu bleiben. Denn sie spiegeln die vielfältigen Herausforderungen wider, vor denen das Handwerk durch Digitalisierung & Co. steht. So sind Handwerksberufe längst auch für Abiturienten eine Option, wenn sie sich einen fachlich anspruchsvollen und dennoch praxisnahen Beruf wünschen. Zahlreiche Weiterbildungen ermöglichen zudem fachliche Spezialisierungen und eröffnen vielfältige Karrierechancen.

Um auch in Zukunft eine solch hervorragende Lernumgebung bieten zu können, wünscht sich die Handwerkskammer neben einem stärkeren finanziellen Engagement vonseiten der öffentlichen Hand auch eine Beschleunigung des Förderwesens, damit die neueste Hard- und Software möglichst schnell auch in der Ausbildung eingesetzt werden kann.

Zu guter Letzt tauschten sich die Politiker*innen mit dem HWK-Präsidenten und dem Hauptgeschäftsführer über die Herausforderungen aus, mit denen sich das Handwerk derzeit konfrontiert sieht. Die Handwerkskammer berichtete, dass die Betriebe zwar volle Auftragsbücher hätten, aber viel zu wenig Auszubildende und Fachkräfte, um diese abzuarbeiten. Auch Material- und Lieferengpässe, gesetzliche Regularien sowie die Herausforderungen durch die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel würden vielen Handwerkern Sorge bereiten. Hier wünsche man sich mehr Unterstützung vonseiten der Politik, so die beiden HWK-Vertreter. Katharina Schulze stellte klar, dass die sozialökologische Transformation nur in Partnerschaft mit dem Handwerk zu meistern sei und dieses dabei eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Politik und Bürger*innen einnehme. Für das Handwerk berge die Transformation jedoch auch großes Potenzial, so die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag. Sie versprach, sich dafür einzusetzen, dass mehr an Schulen informiert werde über die vielfältigen Möglichkeiten im Handwerk, die Ausbildungsbedingungen verbessert und der Zuzug ausländischer Fachkräfte erleichtert werde.

Bild: Mirjam Hagen