Gemeinsam mit Kerstin Celina, Sprecherin der grünen Landtagsfraktion für Arbeitsmarkt, Sozialpolitik und Jugend, diskutierte Stephanie Schuhknecht mit Herrn Dr. Tomasz Antoni Jarczok, Chefarzt der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik am Josefinum, am 21.03.23 im Grünen Büro über die Antwort der Staatsregierung auf die Interpellation „Psychische Gesundheit“ der Landtags-Grünen. In der Antwort sticht hervor, dass vor allem Kinder und Jugendliche von psychischen Erkrankungen betroffen sind.

Laut Dr. Jarczok sei der Bedarf an Behandlungen psychischer Erkrankungen bei Kinder und Jugendlichen in den letzten drei Jahren spürbar gestiegen und derzeit nicht optimal gedeckt. Es würden sich nun zunehmend die Pandemiefolgen bemerkbar machen. Er wies zudem darauf hin, dass die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung auch schon vor Corona problematisch gewesen sei.

Die Interpellation ergab weiterhin, dass vor allem die Einrichtungen in den Bezirken Oberpfalz und Schwaben häufig zu hundert Prozent und noch mehr ausgelastet seien. Dr. Jarczok überraschten diese Zahlen nicht, müssten doch Kliniken immer versuchen, voll ausgelastet zu sein, um kostendeckend wirtschaften zu können. Er betonte dabei, dass die Auslastung meist nicht den wirklichen Bedarf widerspiegle, der in der Regel deutlich über den Kapazitäten der Kinder- und Jugendpsychiatrien liegen würde. Auch würden heute im Vergleich zu früher mehr Diagnosen gestellt, was die Anzahl an zu behandelnden Fällen zusätzlich erhöhe. Insgesamt habe dies zur Folge, dass Betroffene oft lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssten und selbst schwere Fälle hinsichtlich ihrer Dringlichkeit nochmals priorisiert werden müssten.

Auf die Frage, welche Kinder und Jugendlichen besonders anfällig seien für psychische Erkrankungen, antwortete Dr. Jaczok, dass zwar überproportional viele junge Frauen betroffen seien, jedoch auch die Zahl schwerer Verläufe bei männlichen Jugendlichen verhältnismäßig stark angestiegen sei. Dabei müssten vor allem Ängste, Depressionen und Anorexien bzw. Essstörungen behandelt werden, wobei gerade letztere äußerst langwierige Therapien erforderten und auf lange Sicht eine erhöhte Sterblichkeit aufweisen würden. Die genauen Ursachen seien zwar noch unklar, aber eine fehlende Peergroup während den Jahren der Pandemie und unrealistische, vor allem in bildorientierte Medien vermittelte, Schönheitsideale würden laut Dr. Jaczok sicherlich eine große Rolle bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielen.

Anschließend erkundigten sich Kerstin Celina und Stephanie Schuhknecht danach, wie sich der generelle Mangel an Pflegepersonal und Ärzten auf die Abteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrien auswirken würden. Die Stellensituation in diesem Bereich müsse differenziert betrachtet werden, so Dr. Jaczok. In der Pflege sei die Situation noch in Ordnung, da in der Kinder- und Jugendpsychiatrie viel interdisziplinär gearbeitet würde und man so flexibel auf Personalengpässe reagieren könne. Zudem sei gerade Augsburg ein attraktiver Standort. Es mangele vor allem an Bewerber*innen für Arztstellen. Kerstin Celina wies darauf hin, dass hier eventuell die reformierte Psychotherapeutenausbildung eine Lösung darstellen könnte. Laut Dr. Jaczok sei dies – wenn überhaupt – nur mittel- bis langfristig eine Lösung, da im Klinikalltag viele Leistungen ausschließlich von Medizinern erbracht werden dürften. Es bestehe vielmehr das grundsätzliche Problem, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie bei Nachwuchsmedizinern nicht denselben Stellenwert besitze wie andere Fachrichtungen, zumal sie im Studium nicht einmal Pflichtfach sei (auch in Augsburg nicht).

Zu breiten Lösungsansätzen, um die Lage in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu verbessern, äußerste sich Dr. Jaczok zwiegespalten. Zum Beispiel sei bei einer Stärkung der Früherkennung die Frage des Kosten-Nutzen-Verhältnisses fraglich, da der Einsatz systematischer Testverfahren nur begrenzt aussagefähig sei und die Anzahl falscher Diagnosen dabei unverhältnismäßig hoch ausfallen könne. Modellprojekte wie das Recover-Programm in Hamburg würden laut Dr. Jaczok zwar gute Ansätze verfolgen, jedoch seien diese in der Regel in der Breite nicht umzusetzen, da hierfür Geld und Personal fehlen würden.

Als letzter Punkt wurde die Legalisierung von Cannabis angesprochen. Ähnlich wie Alkohol kann es bei häufigem und übermäßigen Konsum zur Abhängigkeit führen. Die Grünen treten hier für eine kontrollierte Abgabe ab 18 Jahren ein, um einen effektiven Jugend- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Die Auswirkungen einer Legalisierung seien schwer vorherzusagen, da es auf die Details bei der Umsetzung der Reform ankomme, so Dr. Jaczok. Die Vergangenheit habe oft gezeigt, dass je mehr verfügbar Suchtmittel seien, desto stärker würden diese auch konsumiert werden, was wiederum mit einer höheren Rate an psychischen Erkrankungen einhergehen würde.

Als Fazit des Gesprächs stand für alle Beteiligten fest, dass im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie deutlich mehr getan werden müsse und man für weiteren Austausch in Kontakt bleibe.